Ich habe einmal eine spannende Anfrage von einem kleinen Magazin bekommen: „Wenn Sie Umweltministerin wären, was würden Sie als Erstes tun, um die Klimakrise zu bekämpfen?“
Ich sollte dazu 300 Zeichen schreiben und zunächst dachte ich, das sei schnell gemacht. Ich habe angefangen zu recherchieren und bald gemerkt, wie wenig ich eigentlich über den Klimawandel weiß. Unmittelbar erlebt habe ich die Erderwärmung bisher bewusst nur am Schmelzen der Gletscher in den Alpen. Dort wird mir ganz emotional klar, wie schlimm das ist. Das Eis hat in den Alpen laut Dr. Christoph Mayer (Forschungsstation der Bayerischen Akademie der Wissenschaften) seit dem Jahr 1850 rund 60% seines Volumens verloren. Ich habe jetzt auch kapiert, dass meine bisheriger Fokus – das Vermeiden von Plastik – umweltschutztechnisch zwar ungemein wichtig ist, für den Klimaschutz aber andere Dinge essentiell sind.
Es war eine große und spannende Herausforderung, mich soweit als in der kurzen Zeit möglich, in eine Politikerin hineinzuversetzen und meine Antwort schließlich so kurz und knapp zu formulieren:
Die Klimakrise ist eigentlich eine globale Klimakatastrophe. Aber wir sind uns dennoch der Brisanz nicht bewusst. Das muss sich ändern. Wir begreifen nicht, dass ein Hochwasser in Italien oder schneefreie Winter genau die Zeichen sind, welche die Notwendigkeit eines sofortigen Eingreifens offensichtlich machen. Es gibt viel zu tun. Ich führe sofort eine CO? Steuer ein und streiche die Subventionen für fossile Brennstoffe. Diese Mittel investiere ich in den Umbau der Energieinfrastruktur. Und in eine bundesweite, öffentlichkeitswirksame Großkampagne, in der die Bevölkerung über die Wichtigkeit JETZT zu handeln und über ihre eigenen konkreten Möglichkeiten dazu informiert wird. Jeder kann etwas tun. Zum Beispiel lokal Urlaub machen, biologische Lebensmittel kaufen,öffentliche Verkehrsmittel nutzen und insgesamt weniger konsumieren.
Seitdem begegnet mir das Thema überall. Ban Ki-Moon hat für die Brisanz der Klimakatastrophe sehr eindrückliche Worte verwendet: „Wenn wir nicht lernen alle gemeinsam zu schwimmen, werden wir untergehen. Es gibt keinen Plan B, weil es keinen Planeten B gibt.“
Ich habe festgestellt, dass ich mich auch deshalb bisher vor dem Thema gescheut habe, weil ich als naturwissenschaftlich minderbemittelte Person immer dachte „das verstehe ich eh nicht“. Und irgendwie klingt es kompliziert und anstrengend. Aber nachdem ich für den Artikel einen akuten Anlass hatte, mich zu informieren, haben sich auf einmal Türen geöffnet und ich habe beispielsweise die Vorträge von Physiker Harald Lesch für mich entdeckt, der auch für nicht-Wissenschaftler sehr eindrücklich und verständlich referiert.
Genau in dieser Zeit begann auch die konkretere Vorbereitung für mein nächstes großes Projekt. Den Colorado River von seinem Ursprung in den Rocky Mountains bis ans Meer in Mexiko zu begleiten. Und dann ging es daran, meinen Langstreckenflug in die USA zu buchen…
In die Pyrenäen, zu meinem letzten Projekt im Sommer 2018 bin ich zwar bewusst mit dem Zug gefahren, dennoch wird mir erst jetzt klar, wie selbstverständlich der Fliegen bisher ein Teil meines Freizeitlebens gewesen ist. Ein günstiger Flug war ein guter Flug. Fliegen war manchmal sogar billiger als Bahn fahren und deshalb gleich die „bessere Lösung“. Ich bin bestimmt ein- bis dreimal im Jahr irgendwohin geflogen. Fliegen habe ich als Teil meiner „Freiheit“ empfunden. Und ja, ich finde es noch immer irgendwo schade, dass sich dieses Bild gerade völlig auflöst. Aber ich kann jetzt die Hintergründe, mein neues Wissen, nicht mehr ignorieren. Und ich merke auch, dass es ganz schön absurd ist, in all meiner „Freiheit“ maßgeblich dazu beizutragen meinen eigenen Lebensraum sukzessive zu zerstören…
Um den Klimawandels einzudämmen, verständigte man sich bei der Pariser Klimakonferenz 2015 weltweit darauf, dass man die durchschnittliche Erderwärmung auf 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzen will. Das bedeutet, dass jedem Menschen auf dieser Erde ein jährlicher Ausstoß von durchschnittlich 2,3 Tonnen CO?zusteht.
Und dann kam mein großer Schock: Bei dem Flug von München nach Denver und zurück beträgt mein Anteil an den CO? Emissionen 4,5 Tonnen. Also fast doppelt so viel wie ich in einem einzigen Jahr verbrauchen dürfte! Nun ja. Das Projekt abzusagen kam zu dem Zeitpunkt nicht mehr in Frage.
Ich habe dann den „AirlineIndex“ gecheckt, der die Flugzeugtypen nach Klimaschädlichkeit auflistet– und hier gibt es durchaus große Unterschiede. Wenn eine Flugbuchung alsonicht vermeidbar ist, kann man hier zumindest darauf achten, in welchem TypFlieger man reist (das lässt sich in der Regel bei der Buchung einsehen).
Für die Zukunft bedeutet das für mich: Keine Projekte mehr, zudenen ich fliegen „muss“. Eine lange Anreise mit Zug und Bus über Land, wennich zum Beispiel den Kaukasus von Ost nach West überquere, muss also einfachmit eingeplant werden. Kreuzfahrten stehen sowieso nicht so auf meinerWunschliste, aber auch die Lofoten Schiffsreise werde ich mir sparen. Und Campingtripsim Auto mache ich erst dann wieder, wenn ich einen Elektrocamper habe. ImAlltag benutze ich seit meiner Recherche nicht mehr Google, sondern diealternative Suchmaschine Ecosia, derenProfit für das Pflanzen von Bäumen investiert wird. Und ich versuche insgesamteinfach weniger zu konsumieren, ich esse weniger Fleisch und fahre nicht mehrallein Auto. Ich empfinde das alles nicht als Belastung, sondern sehe es als Chance, meinen kleinen Teil beitragen zu können. Und immer weiter zu lernen.