Skip to main content

Warum weniger Konsum Spaß macht

Wenn wir über Umwelt- und Klimaschutz reden, schwingt meistens die Aufforderung zum Verzicht mit. Insofern würde uns ein umwelt- und klimafreundlicheres Leben nicht nur Lebensqualität nehmen, sondern auch Freiheit, Geld und Zeit. Ich glaube das nicht.

Auch Ökonomen sprechen inzwischen weithin davon, dass Konsum und ewiges Wachstum im materiellen Bereich die Zufriedenheit, Lebensqualität und das Wohlbefinden irgendwann nicht mehr steigern können.

Während ich das tippe, sitze ich in meinem Schreibrefugium für die nächsten Wochen. Eine wunderschön gelegene Hütte im winterlich weißen Nirgendwo. Es ist alles hier, was ich brauche, und mehr. Ich habe kaum Handyempfang und so wenig Strom, dass ich abends nur Kerzen und Stirnlampe benutze. Ich habe kein fließend-heißes Wasser oder gar Heizungen oder Kühlschrank. Dafür endlos viel innere und äußere Stille, die mich füllt, mich inspiriert und mir Kraft gibt.

Seit ich zunehmend nach dem Prinzip lebe, mich mehr auf Suffizienz als Effizienz zu bemühen, mehr auf Qualität als auf Quantität zu achten, genieße ich mein Leben mehr als vorher. Denn da fühlte ich mich oft gehetzt, gedrungen mehr zu leisten, mehr zu können, mehr zu haben. Der Geltungsdrang war manchmal schier unerträglich und das Bedürfnis irgendein imaginäres und sich ständig weiter verschiebendes Ziel zu erreichen war groß.

Zunehmend entdecke ich in der letzten Zeit mein Verhältnis zu Dingen und Menschen neu. Wenn ich einen losen Apfel kaufe, anstatt das in Plastik verklebte Sechserpack, dann wird der Wert, und damit letztlich auch der Geschmack dieses Apfels wieder deutlicher. Wenn ich weiß, wo mein abstrakt verdientes Geld tatsächlich verwendet wird, hat es eine sinnvollere Bedeutung. Wenn ich eine Hose repariere, anstatt sie wegzuwerfen, gewinnt sie für mich wieder an Qualität. Wenn an einer Kasse oder auf der Straße ein freundliches Wort gewechselt wird, macht das ja glücklich. Aber auch, wenn ich einen Gegenstand neu kaufe, weil ich ihn wirklich brauche, dann weiß ich jetzt genau warum.

Mein Leben befreit sich zunehmend von dem Kram, der so rumliegt. Das kann auch so banal sein, wie dass ich Probepackungen aufbrauche, Kleidung ausmiste und weitergebe, Werbegeschenke ablehne und Neuanschaffungen wo möglich vermeide. Es gibt ja schon alles im Überfluss, und meistens bekomme ich Gebrauchsgegenstände auch wunderbar aus zweiter Hand.

Dass dieser Prozess bei mir überhaupt in Gang gesetzt wurde, habe ich den Bergen zu verdanken. Sie machen bewusst. Dass ökologische Werte mit ethischen und ästhetischen Aspekten und Verhaltensweisen verknüpft sind.

Viele kennen das beispielsweise von Begegnungen auf Reisen: Menschen, die weniger besitzen sind oft nicht nur zufriedener, sondern auch großzügiger. Wir sind das nicht gewohnt, aber ich bin froh, dass ich den Luxus der Einfachheit langsam für mich wiederentdecken kann. Denn er macht mich nicht nur zufriedener, sondern ich empfinde dadurch eben auch einen stärkeren Zusammenhang zu der Welt, in der ich lebe.

Die Literaturnobelpreisträgerin 2018 Olga Tocaruczuk, forderte in ihrer Rede eine „vierte“ Perspektive, in welcher die ganze Welt als zusammenhängend beschrieben wird, in der die Verbindungen von Handlungen und Entscheidungen im „hier und jetzt“ mit ihren Auswirkungen im „dort und dann“ sichtbar werden. Daraus wird also auch die raum- und zeitübergreifende Verantwortung für Alles selbstverständlich. Sie sagte „Zärtlichkeit ist die tief gefühlte Sorge um ein anderes Wesen und seinen Mangel an Immunität gegen Leid und die Auswirkungen der Zeit. Zärtlichkeit nimmt die Bindungen wahr, die uns verknüpfen, die Ähnlichkeiten und Gleichheit zwischen uns. Es ist eine Art zu sehen, die die Welt als lebendige zeigt, lebend, vernetzt, kooperierend und abhängig.“

Ich möchte die Welt als eine ebensolche Einheit sehen, die sich durch und mit uns ständig verändert und in der wir zwar ein kleiner, aber wichtiger Teil sind. Denn dann gehe ich verantwortungsvoll mit ihr um, und die Sorgen um ihr Wohlergehen und Fortbestehen werden wie ein Teil von der Sorge um mich selbst. Mir ist schon klar, dass das eine Utopie ist, aber was gibt es Schöneres, als aus Utopien lebensfähige Modelle zu machen.